Freitag, 17. Januar 2014

Die Blechhütte



Poch, Poch, Stille. Gespannt harren wir einer Reaktion unserer geklopften Anfrage, gerichtet an die klapprige Tür dieses Wellblechkonstrukts einer Hütte. 
Kaum acht Quadratmeter umfassend liegt sie hier von Ölkanistern und Schafsleibresten umsäumt im Zentrum der sonst so perfekt geeigneten Campingweide im Westen Feuerlands. Obgleich uns die Erfahrung lehrt, dass man die nettesten Menschen kennen lernt wenn man zu fremden Häusern geht, schwingt angesichts der verwesenden Schafsköpfe immer noch eine gewisse Restnervösität mit.

Es rumort in der Hütte. Es ist jemand da.

Die Tür öffnet sich und gibt den Blick auf das überraschte Gesicht eines Mannes in  einem verschmierten Arbeitsanzug frei. "Si?", fragt er knapp. Ob wir denn das Zelt auf der Wiese da oben aufstellen dürfen, bricht es in akzentgefärbtem Spanisch aus uns hervor, worauf mit heftigem Kopfnicken des Gegenübers geantwortet wird. Dankesformeln produzierend entfernen wir uns vom Container dessen Zugang sich schon wieder geschlossen hat.

Als wir fünf Minuten später etwa sechzig Meter entfernt das Zelt aufstellen, öffnet sich die Tür ein weiteres Mal und der Herr kommt direkt auf uns zu gegangen. Hoffentlich hat er uns richtig verstanden vorhin und seine Meinung nicht geändert, vielleicht möchte er auch nur plaudern...

Ob wir nicht auf einen kleinen Kaffee vorbeikommen möchten, fragt er tatsächlich, unten bei ihm in der Hütte. Natürlich möchten wir und versprechen nachzukommen sobald das Zelt steht.

Der Container empfängt uns mit wärmender Lichtlosigkeit. Als sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben erkennen wir, dass es zwei Männer sind, welche in der winzigen Hütte hausen. Er, Estanislao, der uns zum Kaffee eingeladen hat und Sergio, der uns zuvor die Tür geöffnet hat. Die Blechhütte, in welche die zwei ausgewachsenen Männer gepfercht sind, wird von einem gusseisernen Holzfeuerherd beheizt. Darauf köchelt bereits das Wasser für unseren Löskaffee in einer bauchigen Teekanne.
Die beiden sitzen nun nebeneinander im unteren Teil eines Stockbettes, welches einen Gutteil des vorhandenen Raumes einnimmt, und starren uns -die Fremden- erwartungsvoll an.

Es ist die Begegnung der Vertreter zweier Lebenswelten wie sie unterschiedlicher kaum zu finden sein werden innerhalb derselben westlich geprägten Zivilisation.
Aus Mangel an Gemeinsamkeiten beginnt das Gespräch zunächst nur sehr spärlich zu sprießen. Feinfühligste Annäherungsversuche bestimmen das Agieren beider Seiten. Lange Pausen trennen kurze Frage-Antwort-Komplexe von einander. Ob man den Kinder hätte und ob die Reise eigentlich eine Art Urlaub sei kommt es von der einen Seite ob man denn immer hier wohne und was genau die Arbeit sei die sie hier täten fragen wir.
Nein, Ja, nur zwei Monate im Sommer und irgendwas mit Kühen und Holz sind die respektiven Antworten.
Völlig unabhängig jedoch von der formalen Unzulänglichkeit der versuchten verbalen Kommunikation, spüre ich ganz deutlich, dass sich die beiden genau so ehrlich über unseren Besuch freuen wie wir uns unsererseits wahrhaft beschenkt fühlen hier und jetzt Gast sein zu dürfen.
Der billige Löskaffee in den abgeschlagenen Blechtassen -es gibt vermutlich nur zwei, denn Sergio und Estanislao trinken nichts- wird gemeinsam mit dem gereichten Fettgebäck zum verbindenden Element der Beteiligten des Males. Die beiden Herren erkennen die Echtheit unseres Hungers nach Wärme und Energie und unsere Freude an dem Dargebrachten wird zu der ihren...

Ein wenig später vor der Hütte lässt der schwer zu beherrschende Selbstauslöser unserer Kamera, der mit Vorliebe die Rückseite des laufenden Franz aufnimmt tatsächlich das Eis brechen.


Bis heute kann ich nicht sagen ob es für uns schwieriger ist uns vor zu stellen wie es sein muss in dieser kleinen Hütte mit seinem Öl und Blut zu arbeiten oder ob es für Estanislao und Sergio schwieriger ist nachzuvollziehen was es bedeuten könnte die Möglichkeit zu haben in den farbigen Gewändern von Circusclowns monatelang durch fremde Länder zu tingeln.

Im Grunde ist es auch egal. Obgleich uns die Reise seit dem Treffen weiterhin mit unglaublich intensiven Eindrücken befeuert denke ich noch oft dankbar an die bemerkenswerte halbe Stunde in der kleinen Blechhütte mit seinen freundlichen Bewohnern, und wie es ihnen wohl so geht...

1 Kommentar:

  1. Liebe Grüße aus der Heimat:

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